25.02.2014

Reisefotografie

25.02.2014

Reisefotografie

Schwieriger als man denkt.

Die meisten Fotos werden auf Reisen gemacht. Legendär sind Diaabende, an denen Familienväter ihre Bilder vom letzten Urlaub zeigten. Heute kann jeder Abend ein Diaabend sein – auf Facebook oder Instagram. Wie verändert Instagram das Reisen und die Reisefotografie? Machen wir andere Bilder, seitdem wir mit dem Smartphone fotografieren? Und wie verändert das die Orte, die wir besuchen? Der Berliner Spreepark, ein verlassener Vergnügungspark, wurde durch den Film „Hanna“ (2011) und den filmischen Blick erst wieder in das Bewusstsein der Stadt geholt. Als ich das Bild auf Instagram postete, waren viele internationale User begeistert, weil sie den Film kannten. Allerdings ist es gar nicht so einfach, Fotos an diesem Ort zu machen.

Wir haben uns daran gewöhnt, auf Reisen eine Internetverbindung zu haben. Wir posten auch selbstverständlich Fotos von den Orten, die wir gerade besuchen. Die Telefonanbieter haben einige Zeit versucht, ihre Kunden zum Versenden von Bildern per MMS zu animieren. Das ist misslungen. Aber inzwischen sind wir dank verbesserter Technologien auch in fernen Ländern immer oder fast immer online. Und es gibt zahlreiche Anbieter, die es ermöglichen, Postkarten vom Smartphone aus zu verschicken.

Auf Reisen scheinen die Bedingungen für das Fotografieren ideal zu sein: Sonne, Berge, Sehenswürdigkeiten. So vieles ist anders als in unserem Alltag, sodass wir es gleich festhalten möchten. Und wir haben scheinbar genug Zeit, uns dem Fotografieren zu widmen. Aber die Mischung aus unbekannten Orten und genügend Zeit ist nicht gerade die beste Voraussetzung für gute Fotos. Vielmehr ist es das Vertraute, das wir oft viel besser fotografieren können. Es kommt uns nur nicht so außergewöhnlich vor. Aber gerade um das Typische geht es für mich bei der Fotografie. Der vertraute Blick an der Kreuzung, die Situation auf dem Bahnhof. Das ist unser Leben.

Der Strand im Ferienressort oder das Planschen im Swimmingpool sind Urlaubserlebnisse, die mich nur bedingt interessieren. Die Herausforderung der Reisefotografie, wenn ich das Genre so nennen darf, besteht für mich darin, einen eigenen Blick auf das Land und die Leute zu entwickeln. Die Herausforderung für einen Instagrammer ist, dass er in der Regel nicht nach Ende der Reise die besten Fotos auswählt, sondern meist am gleichen Tag postet.

Auf einer Reise entdecke ich Unbekanntes, von dem ich vorher noch nichts weiß. So kann ich am Morgen noch nicht wissen, was ich am Nachmittag sehen werde und was ich vielleicht posten möchte. Für mich ist es unter diesen Bedingungen schwierig, eine Reise so zu bebildern, dass es für den Betrachter meines Instagram-Accounts Sinn macht. Bestenfalls kann ich eine Geschichte erzählen, manchmal erscheinen die Fotos aber nur aneinandergereiht und ohne einen Bezug. Lauren (www.instagram.com/laurenepbath) löst das Problem, indem sie zu den Fotos ausführliche Bildunterschriften verfasst. Hier wird die Nähe zu Reiseblogs sichtbar. Grundsätzlich unterscheiden sich aber die Fotos und die mit ihnen erzählten Reisegeschichten von Reisereportagen, die in einem zeitlichen Abstand zur Reise geschrieben und die mit einer nach der Reise getroffenen Auswahl an Fotos bebildert werden.

Von meiner Reise nach Südafrika möchte ich euch ein paar Eindrücke schildern und euch zeigen, wie sich meine Wahrnehmung verändert hat. Die meisten, die an Südafrika denken, denken vor allem an die beeindruckende Natur. Sie hat auch mich überwältigt – keine Frage. Der berühmte Blyde River Canyon und die Three Rondavels lagen so majestätisch und gewaltig vor mir. Ich wollte sie so fotografieren, dass sich mein Foto unterscheidet von den unzähligen anderen., Gemeinsam mit unserem Begleiter Rudolf (www.instagram.com/africa4ever01) wanderten wir bis zum Sonnenuntergang. Das Foto entstand spontan, als Rudolf sich auf den Felsvorsprung setzte.

In Südafrika besuchte ich auch ein Buschcamp und machte Ausflüge mit einem Jeep, um die Big Five – Löwe, Elefant, Nashorn, Leopard und Büffel – zu beobachten. Einen Löwen sah ich leider nicht. Während wir im Jeep saßen, blieb die Umgebung für mich merkwürdig abstrakt. Bis wir am letzten Morgen zu Fuß durch den Busch gingen. Da habe ich die Landschaft noch einmal ganz anders und viel unmittelbarer wahrgenommen. Wir hörten einen Löwen brüllen. Ich kannte bisher nur harmlose europäische Wälder!

So beeindruckend die Natur in Südafrika ist, so spannend war der Besuch der Städte. Besonders fasziniert hat mich Johannesburg. Vor der Reise hatte ich mir Fotos der Metropole angeschaut: Straßenfluchten und Hochhäuser. Als ich dann dort war, sah die Stadt doch anders aus. Der Höhepunkt unserer Erkundung war die Fahrt mit einem Sammeltaxi, aber ohne Rudolf. Der Fahrer hörte sehr laut Songs von Rihanna, es war eng und wir waren zwei gewöhnliche „Weiße“. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Mitreisenden von uns Notiz nahmen. Am nächsten Tag erzählten wir beiläufig unserer Freundin Paula (www.instagram.com/paularoo) von der Fahrt. Sie konnte es nicht glauben und war ziemlich schockiert. Denn Reiseführer raten Touristen dringend davon ab, mit einem Sammeltaxi durch Johannesburg zu fahren. Überhaupt war es ungewöhnlich, dass wir zu Fuß die Stadt erkundeten.

Wer die vielen Minibusse in Johannesburg sieht, fragt sich, wie man den richtigen findet. Aufklärung lieferte unser Guide, der uns durch Soweto führte: Jeder Stadtteil hat sein eigenes Handzeichen, mit dem die Fahrgäste anzeigen, in welche Richtung sie wollen. Fährt der Bus in die Richtung und hat er noch Plätze frei, hält er an. Dieses Zeichen steht für Orlando.

Diese Reise war mein erster Besuch in Südafrika. Ich war zuvor noch nicht auf der Südhalbkugel gewesen. Die Sonne ist ganz anders. Die von mir favorisierten Gegenlichtaufnahmen funktionieren dort anders. Die Sonne ist auch noch kurz vor Sonnenuntergang viel intensiver als in Berlin.

Die Instagrammer aus Johannesburg haben sich rührend um uns gekümmert. Wenn ihr Südafrika besucht, verabredet euch mit ihnen. Ich bin mir sicher, dass sie euch zu spektakulären Orten führen werden. Oder euch die richtig interessanten Viertel der Stadt zeigen.

Jörg Nicht

Er lebt in Berlin und fotografiert seit seinem 12. Lebensjahr. Inzwischen hat er mehr als 280.000 Follower auf Instagram.

Instagram: www.instagram.com/jn
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Twitter: www.twitter.com/joergno
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